Silvia am Sonntag - der Talk - Andrea Sawatzki BEI HIT RADIO FFH
Andrea Sawatzki bei FFH: „Wir hängen als Familie sehr aneinander.“
Schauspielerin und Autorin Andrea Sawatzki („Die Bundschuhs“) hat in ihrem Buch „Brunnenstraße“ die Kindheit mit ihrem an Alzheimer erkrankten Vater erzählt. „Er hat mich seit meinem elften Lebensjahr nicht mehr erkannt. In mir hat er jemanden gesehen, der ihn von meiner Mutter fernhielt und am Weglaufen hinderte.“ Ihre Mutter arbeitete als Krankenschwester im Nachtdienst, um das Geld für die Familie zu verdienen. „Ich wusste morgens nie, was im Laufe des Tages auf mich zukommt.“ Die Schauspielerin, die bis zum achten Lebensjahr mit ihrer Mutter alleine lebte, zog erst danach zu ihrem Vater: „Wir kamen am Haus an und mein Vater war nicht da, das hat meine Mutter sehr irritiert. Ich glaube, das war schon das erste Anzeichen für seine Alzheimer-Erkrankung. Ärzte haben mir gesagt, dass es viele Jahre, bevor es ganz schlimm wird, schon erste Anzeichen gibt.“
Andrea Sawatzki erinnert sich, dass sie immer müde war, aber doch nicht schlafen konnte. „Ich hörte auf Geräusche, auf seine Schritte, ich habe sehr feine Antennen aus dieser Zeit. Das ist bis heute so geblieben.“ Und auch wenn sie als Kind mit dieser Aufgabe völlig überfordert war, hat es in gewisser Weise eine ‚Begabung‘ in ihr geweckt: „Ich habe immer andere Rollen angenommen. Wenn ich ‚Schwester Emmy‘ war und ihm sagte, er solle sich wieder hinlegen, hörte er zumindest kurz auf mich. Ich glaube, durch dieses ‚Verstellen‘ ist der erste Stein für meinen Beruf gelegt worden.“
Heute fragt sie sich, warum keiner etwas gemerkt hat. „Warum haben die Nachbarn sich nicht gewundert? Wir haben uns ja verschanzt. Es gab keinen Besuch. Auch als ich in der Schule immer eingeschlafen bin, warum hat keiner der Lehrer nachgefragt?“ Sie glaubt, heute sei man aufmerksamer, auch in der Behandlung der Krankheit. „Damals gab es keine Pflegeversicherung, keine Medikamente. Es gab nichts, um die Erkrankten zu beruhigen.“ Ihr Rat an alle Angehörigen: „Lasst euch helfen. Alleine ist das nicht zu schaffen. Ist ja schon toll, wenn man die kranken Menschen vielleicht an ein, zwei Tagen abholen lassen kann für Gesangs-Nachmittage. Da gibt's ja auch Chöre. Angehörige und die Kranken brauchen Hilfe.“
Ihre beiden erwachsenen Söhne und auch ihr Mann Christian Berkel mussten nicht erst das Buch lesen, um all das zu erfahren. „Die wissen sehr viel. Wir finden es wichtig, Kinder in die Gespräche mit einzubeziehen. Wir haben jeden Abend versucht, gemeinsam zu essen, zu reden. Wir hängen sehr aneinander.“ Auch jetzt, wo beide in London studieren, kommen sie oft nach Hause. Und lachend erzählt sie: „Ein Trick ist so zu tun, als vermisse man sie gar nicht. Dann kommen die ganz schnell.“
Sie und ihr Mann haben in der Erziehung nicht auf Verbote gesetzt. „Von mir selbst wusste ich, ich habe mit Vorliebe das getan, was verboten war. Wir haben viel geredet und sie ausprobieren lassen. Das hat funktioniert.“ Was ihre Eltern ihr mitgegeben haben, ist die Liebe zur Natur. „Beiden war die Natur sehr, sehr wichtig. Wenn die ersten Krokusse, Schneeglöckchen kamen, hat meine Mutter mich geholt und sie mir freudig gezeigt. Und das hat sich auf mich übertragen. Zu wissen, dass einem so ein Schneeglöckchen den Tag hell machen kann, dafür liebe ich sie.“
„Silvia am Sonntag – der Talk“ läuft sonntags zwischen 9 und 12 Uhr mit Moderatorin Silvia Stenger. Das komplette Gespräch mit Andrea Sawatzki sowie alle anderen Interviews, können in voller Länge bei FFH in Web und App und überall dort, wo es Podcasts gibt, gehört werden.