Walter Lübckes Sohn: "Mord hätte verhindert werden können"
Kritik von Walter Lübckes Sohn - "Mord hätte verhindert werden können"
Der Sohn des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) ist überzeugt: Der Mord an seinem Vater hätte verhindert werden können. Das sagte Christoph Lübcke in einem Interview mit dem Nachrichtenportal "t-online".
"Mit 100-prozentiger Sicherheit kann man das nicht wissen. Ich bin aber überzeugt, dass sein Tod hätte verhindert werden können. Wenn man damals dem Rechtsextremismus genauso viel Aufmerksamkeit gewidmet hätte wie etwa dem islamistischen Terror. Aber der Staat war auf dem rechten Auge blind", so Christoph Lübcke in dem Interview. Sein Vater war in der Nacht zum 2. Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses im Kreis Kassel von dem Rechtsextremisten Stephan Ernst erschossen worden.
Ausgangspunkt war Äußerung auf Bürgerversammlung
Walter Lübcke hatte 2015 bei einer Bürgerversammlung in Lohfelden (Kreis Kassel) Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft vorgestellt und als Reaktion auf Schmährufe gesagt: "Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten. Wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Es ist die Freiheit eines jeden Deutschen." Lübckes Äußerungen sollen Auslöser für seine spätere Ermordung gewesen sein.
Christoph Lübcke: Immer wieder neue Anfeindungen
Nach der Bürgerversammlung wurde ein Video im Internet verbreitet, in dem Lübckes Zitate verkürzt wiedergegeben und aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Der Regierungspräsident erhielt daraufhin zahlreiche Drohmails und stand zeitweilig unter Polizeischutz. Es habe immer wieder neue Anfeindungen gegen seinen Vater gegeben, berichtete Christoph Lübcke.
"Passiert ist nichts"
"Wenn Erika Steinbach oder die AfD mit dem Video gegen meinen Vater hetzten, standen in den Kommentaren darunter oft Sätze wie "Die Walther erledigt den Rest". Gemeint war die Pistole." Das sei ein klarer Aufruf zum Mord an seinem Vater gewesen. "Passiert ist aber nichts. Diese Aufforderungen wurden zum damaligen Zeitpunkt in keiner Weise geahndet. Sie blieben stehen."
Kritik an CDU
Christoph Lübcke richtet in dem Interview auch Kritik an die CDU, der Partei von Walter Lübcke. "Da kam wenig bis nichts. Mein Vater hat sich schon sehr allein in dieser Situation gefühlt", sagt er mit Blick auf fehlende Unterstützung nach Anfeindungen gegen seinen Vater.
Lübcke-Untersuchungsausschuss läuft noch
Lübckes Mörder, Stephan Ernst, wurde im Januar 2021 vom Oberlandesgericht Frankfurt zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Im August 2022 hat der Bundesgerichtshof (BGH) sämtliche Revisionen gegen das Urteil zurückgewiesen und das Frankfurter Urteil damit bestätigt. Seit 2020 gibt es einen Untersuchungsausschuss zum Mord an Walter Lübcke. Seine Aufgabe ist es, die Rolle der hessischen Sicherheitsbehörden im Mordfall aufzuarbeiten. Der Abschlussbericht soll im Sommer 2023 vorgestellt werden.