Bensheimer Petition "erledigt" - Ampel nach Ortsschild-Streit abgelehnt
Im kleinen Wohngebiet am Hemsberg in Bensheim (Kreis Bergstraße) sorgt ein Streit um ein Ortsschild für reichlich Unmut. Die Anwohner hatten eine Petition an den Landtag gestartet, um das Ortsschild an der B3 in Richtung Ortsausgang, in Richtung Heppenheim, zu versetzen.
Ihr Ziel war es, Autofahrer zum Abbremsen zu bewegen und die Sicherheit zu erhöhen. Doch das Gegenteil trat ein: Das Ortsschild wurde näher zur Bensheimer Stadtmitte platziert und zusätzlich wurden Tempolimits bis 70 km/h eingeführt. Das Ergebnis: statt mehr Sicherheit, erhöhter Frust bei den Bürgerinnen und Bürgern.
Anlass war ein tödlicher Unfall
Vergangenes Jahr kam es an dieser Stelle zu einem tödlichen Unfall eines Motorradfahrers, was die Anwohner dazu veranlasste, eine sicherere Verkehrsregelung zu fordern. Ohne Zebrastreifen oder Ampel sei der Übergang über die B3 gefährlich, berichten die Anwohner im Gespräch mit HIT RADIO FFH. Und die Behörden haben jetzt gehandelt: Das Bensheimer Ortsschild wurde tatsächlich versetzt. Allerdings in die genau entgegengesetzte Richtung wie von den Anwohnern gefordert. Damit entspreche nun die Beschilderung nach Jahren der Straßenverkehrsordnung, argumentieren die Behörden.
Keine "geschlossene Ortschaft"
Weiterer Hintergrund: Die umstrittene Stelle gilt per Definition nicht als "geschlossene Ortschaft" mit vorgeschriebenem Tempo 50. Denn auf der gegenüberliegenden Straßenseite befinde sich nur eine Kleingartenanlage sowie freies Feld - und eben keine beidseitige Wohnbebauung. Auch gebe es auf der anderen Straßenseite zum Beispiel keinen Sport- oder großen Spielplatz, was mehr Fußgängerverkehr zur Folge hätte.
Behörden reagieren ablehnend
Kreis-Verkehrsdezernent Matthias Schimpf betont daher, dass etwa die Errichtung einer Fußgängerampel nicht möglich sei, da nur wenige Personen die Straße überqueren. Dies belegen entsprechende Daten einer Zählung von Hessen Mobil, die uns vorliegen (zwischen 6 und 9 Uhr: insgesamt 8 Personen, zwischen 15 und 18 Uhr: insgesamt 19 Personen). Die Vorschriften gäben solch eine Maßnahme nicht her. Es sei auch keine Unfallhäufungsstelle, argumentiert Schimpf. Anwohner halten dagegen: Die Zahlen seien deshalb so niedrig, da sich viele an dieser Stelle gar nicht über die Straße trauten, sondern stattdessen zur Sicherheit längere oder andere Fußwege in Kauf nähmen.
Anwohner fühlen sich alleingelassen
Die Anwohner sind enttäuscht. Stellvertretend beschreibt Martin Türck, dass viele nun noch mehr Angst haben, die Straße zu überqueren. Für Familien mit Kindern sei der Übergang besonders heikel. Martin Türck und seine Nachbarn fühlen sich regelrecht „ausgebürgert,“ insbesondere weil einige Häuser nun vermeintlich außerhalb von Bensheim liegen, nachdem das Ortsschild in Richtung Stadtmitte versetzt wurde. Auch der Lärm habe zugenommen, da Autofahrer jetzt zumindest auf einem Teilabschnitt schneller fahren dürften.
Einen Funken Hoffnung
Die Landtags-Petition war zunächst noch in Bearbeitung, die Anwohner hoffen daher weiterhin auf Anpassungen - auf ein "Happy End", wie Martin Türck es formuliert.
Update am 26. Juni 2025 (Mitteilung des Hessischen Landtags):
"In ihrer Plenarsitzung am 25. Juni sind die Abgeordneten des Hessische Landtages dem Beschluss des Petitionsausschusses gefolgt, die Petition als erledigt zu erklären, da dem Anliegen in mehreren Punkten entsprochen wurde.
Im Rahmen des Petitionsverfahrens konnten folgende Verbesserungen erreicht bzw. eingeleitet werden:
- Zwei Tempo-50-Schilder wurden im direkten Umfeld aufgestellt.
- Das Tempo-70-Schild in Fahrtrichtung Heppenheim wird im Juni 2025 weiter nach Süden versetzt, um ein verfrühtes Beschleunigen zu verhindern.
- Die bestehende Querungshilfe wird von 2 auf 3Meter verbreitert – insbesondere zur Erhöhung der Sicherheit für Personen mit Kinderwagen, Fahrrädern oder Rollatoren.
- An der Ausfahrt der Kleingartenanlage wurde ein Stoppschild installiert.
- Ein Dialogdisplay („Sie fahren ...“) sensibilisiert Verkehrsteilnehmende für ihre Geschwindigkeit.
- Mehrere Geschwindigkeitsmessungen wurden durchgeführt – ohne nennenswerte Überschreitungen.
- Eine Verkehrszählung am 6. Mai 2025 ergab, dass lediglich fünf bis zehn Personen pro Spitzenstunde die Straße queren – zu wenig für eine Ampel oder einen Zebrastreifen.
- Ein gestufter Geschwindigkeitstrichter (100→70→50km/h) soll lärmintensives Beschleunigen reduzieren.
In seinem Beschluss sieht der Petitionsausschuss die vollständige Versetzung der südlichen Ortstafel der B3 bis an die Gemarkungsgrenze aus rechtlichen Gründen für nicht zulässig. In diesem Abschnitt besteht keine geschlossene Bebauung, die über die B3 erschlossen wird – ein zentrales Kriterium laut Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung. Auch eine Ausnahmegenehmigung gemäß dem Erlass des Hessischen Verkehrsministeriums kommt nicht in Betracht, da dort kein funktionaler Zusammenhang zur Bebauung besteht und typische innerörtliche Gefahrensituationen fehlen.
Der Vorsitzende des Petitionsausschusses Oliver Ulloth sagt: „Das Petitionsverfahren zur Verkehrssituation an der B3 in Bensheim zeigt eindrucksvoll, dass bürgerschaftliches Engagement Wirkung entfalten kann. Die Petition hat konkrete Verbesserungen angestoßen – darunter eine optimierte Beschilderung, zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie ein Dialogdisplay und die Verbreiterung der Querungshilfe. Diese Maßnahmen tragen unmittelbar zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei.“
Update am 27. Juni 2025 (Statement der Anwohner):
"Als Anwohner der B3 / Arminstraße bzw. des Hemsberg-Viertels in Bensheim möchten wir unsere Enttäuschung über die Entscheidung des Hessischen Landtags zur Petition Nr. 00378/21 zum Ausdruck bringen. Wir hatten gehofft, dass der Petitionsausschuss nicht nur formaljuristisch argumentiert, sondern die tatsächliche Gefahrenlage sowie die Gesamtsituation vor Ort in den Blick nimmt – gerade in Anbetracht der Vielzahl öffentlicher Hinweise auf erhebliche Sicherheitsmängel. Dass sich der Landtag in seiner Beurteilung letztlich nahezu vollständig auf die Einschätzungen eben jener Behörden stützt, deren Entscheidungen maßgeblich zur Verschärfung der Lage beigetragen haben, ist für uns kaum nachvollziehbar. (...)
Positiv anzumerken ist, dass das umstrittene Tempo-70-Schild laut Mitteilung künftig weiter ortsauswärts verlegt werden soll – ein Schritt, den wir ausdrücklich begrüßen. (...)
Besonders enttäuschend ist für uns, dass der Fußgängerüberweg – eines der Kernanliegen unserer Petition – keine spürbare Verbesserung erfährt. Statt einer sicheren Bedarfsampel bleibt es bei der bekannten, aus unserer Sicht unzureichenden Modifikation. (...) Bis heute meiden viele Anwohner diese Querung aus Angst – zu Recht. Unverständlich bleibt auch, dass scheinbar nicht einmal die Installation eines stationären Blitzers in Erwägung gezogen wurde – obwohl dieser zumindest eine kostengünstige und unmittelbar wirksame Maßnahme zur Temporeduzierung darstellen könnte. (...)
Wir danken dem Petitionsausschuss für die Prüfung unseres Anliegens – müssen jedoch mit allem Nachdruck festhalten, dass die beschlossene Lösung nicht geeignet ist, die Gefahrenlage grundlegend zu entschärfen. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht erst zu weiteren schweren Personenschäden kommen muss, bevor hier ein echtes Umdenken einsetzt."


FFH bei WhatsApp:
News und Infos direkt auf euer Smartphone. Hier dem FFH-Channel folgen.