Wie verhältnismäßig sind die Bauernproteste? Interview mit Ackerbauer

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Hallo Stefan, du hast einen typischen Wetterauer Landwirtschaftsbetrieb, du hast um und bei 125 Hektar, was so ungefähr momentan der Durchschnitt ist, wie du sagst. Du baust Getreide an, Raps und Zuckerrüben. Erstmal so die grundsätzliche Frage, wie sieht denn dieser typische Arbeitstag bei dir aus? Ich habe ja einen reinen Ackerbaubetrieb, also keine Tierhaltung mehr. Das heißt, dass ich schon mal nicht unbedingt am Wochenende arbeiten muss. Mein Arbeitstag richtet sich in erster Linie auch nach der Witterung. Da geht es morgens, ja um 6 Uhr wird aufgestanden, geht dann 7, 8 Uhr aufs Feld und je nach Witterung der ganze Tag. Das sind in Erntezeiten sind das auch mal 60, 70 Stunden. Im Winter ist das natürlich deutlich weniger. Kannst du uns mal aufdröseln? Was kostet dich der Betrieb einer solchen Landwirtschaft und vor allem, was hast du da für Ausgaben? Wie viel Geld geht da raus? Ich meine, ihr habt ja auch Maschinen, das macht man ja nicht händisch. Ja, in der Landwirtschaft ist ja so, dass die Betriebe in der Regel, ich habe meinen Betrieb auch von meinen Eltern übernommen und die werden immer in der Generation weitergegeben, weil Landwirtschaft für Arbeitsplatz ist sehr, sehr kapitalintensiv. Unser Kapital steckt in Gebäuden, Maschinen und auch in Grund und Boden. Insgesamt. Bei mir so in etwa 300.000 Euro Einnahmen von diesem Geld bleibt irgendwo zwischen 50.000 und 100.000 Euro übrig. Das ist aber sehr stark schwankend, je nachdem wie meine Verkaufspreise sind und vor allem auch die Betriebsmittelpreise. Also Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Dieselkraftstoff, aber auch die Arbeitserledigungskosten, die Kosten für die Unterhaltung der Maschinen und die Pacht kommt natürlich auch noch dazu. Was momentan ganz schwer ist, sind die Maschinen. Ja, das ist ganz schwer. Das sind die Preisschwankungen. Wir hatten im Zuge des Krieges extreme Preiserhöhungen bei den Agrarprodukten. Zum Beispiel hat man da in der Spitze 40 Euro für den Doppelzentner Weizen und mittlerweile hat sich das wieder halbiert auf 20 Euro. Die Preisschwankungen sind mittlerweile wesentlich stärker wie die Schwankungen durch die Witterung und das ist auch für uns eine unkalkulierbare Größe geworden.

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Michael, eine der großen Forderungen bei den Protesten, die wir jetzt hier erlebt haben, ist, dass diese Agrardieselsubvention auf eure Spritkosten, dass die bleiben soll. Jetzt macht diese Agrardieselsubvention nur einen kleineren Teil aus, im Schnitt gerade mal so 5 bis 6 Prozent. Das kann aber doch nicht alles sein, oder, für die Proteste, dass es jetzt nur um die Agrardieselspritsubvention geht. Also was ist das echte Problem, was dahinter steckt? Ja, im Grunde genommen, die Entscheidung der Bundesregierung hat das fast zu überlaufen gebracht. Es ist einfach, ja, riesen Druck auf den Kessel bei den Landwirten. Sie haben Angst um ihre Zukunft. Wir bekommen immer mehr Auflagen, immer mehr Restriktionen, wie wir zu wirtschaften haben. Wir kriegen mittlerweile vorgeschrieben, wann wir auf die Felder dürfen zum Bearbeiten, wann wir düngen dürfen. Der Termin, der Aussaat wird schon festgeschrieben, bis wann ich gesät haben muss. Es wird jetzt auch noch gesagt, ich muss sicherstellen, wann. Wann mein Weizen aufgelaufen ist. Das geht ja gar nicht. Und ich denke, da hat sich sehr viel aufgestaut und deshalb diese massiven Proteste. Es gibt aber natürlich auch Menschen, die da relativ wenig Verständnis für hatten, für die Proteste. Ein Argument, was ich gelesen habe, war so, in den vergangenen zwei Jahren haben die Bauern ja so viel erwirtschaftet wie noch nie. Im Schnitt 115.000 Euro. Doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Okay, einer Altenpflegerin oder im Rettungssanitär oder im Friseur, wie würdest du das denen erklären? Zunächst, diese Zahl muss natürlich interpretiert werden und kann nicht einfach so stehen bleiben. Von da geht noch die Sozialversicherung ab. Wir hatten vorhin ja schon gesprochen, es müssen Investitionen in die Zukunft getätigt werden. Es müssen Schulden davon getilgt werden. Und das ist ja nicht bei jedem Betrieb gleich. Wir haben die Tierhalter, da ist es oft so, dass zwei Generationen in dem Betrieb arbeiten. Die sind da aber nicht aufgeführt, sodass man das nicht einfach durch eine Person teilen muss, sondern manchmal sogar durch drei und vier Personen. Und dann relativiert sich das. Und wie gesagt, es war ja auch ein gutes Jahr und da muss auch mal eine Rücklage gebildet werden können. Was würdest du dir denn eigentlich wünschen von der Bundesregierung? Zunächst wäre es ja jetzt im aktuellen Zeichen, die Streichung der Agrardieselvergütung zurückzunehmen. Das ist nicht unbedingt die Riesensumme, das ist aber ein Zeichen, um auch die deutsche Landwirtschaft in Europa wettbewerbsfähig zu halten. Die Problematik ist, wir sind in unseren Verkaufspreisen. Wir verrichten sich vielfach nach den Weltmarktpreisen, gerade bei Getreide, Raps, auch Zucker. Und wir haben aber völlig andere Produktionsbedingungen. Bei uns sind die Flächen viel kleiner, Löhne sind viel höher, unser Lohnniveau und vor allem die Umweltstandards, die hier in Europa und speziell in Deutschland gelten, erhöhen unsere Produktionskosten. Und dafür waren ja auch die Ausgleichszahlungen gedacht oder sind dafür gedacht. Okay.

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Du stemmst deinen Betrieb hauptsächlich alleine, deine Frau macht einen ganz normalen Vollzeitjob, also ist jetzt nicht in der Landwirtschaft tätig. Das ist jetzt auch in dem Sinn kein großer Familienbetrieb mit 18 Kindern und diversen Angestellten. Die holst du dir ja quasi dann dazu, wenn du wirklich auch die Arbeit hast und die brauchst. Was passiert jetzt im Worst-Case-Szenario, was wir nicht hoffen wollen, wenn jetzt du mal ausfällst? Du hast mal Rücken, du bist mal krank, dich legt die Krippe flach, was ist dann los? Ja, dann muss man gucken, ich hatte letztes Jahr eine Schulterverletzung und war auch mal zwei Monate ausgefallen. Dann gibt es ja über die Berufsgenossenschaft eine Art Betriebshilfe, aber Betriebshelfer gibt es auch nicht. Und ich hatte dann meinen Neffe, der hat dann die nötigsten Arbeiten gemacht, sodass der Betrieb weiterläuft. Also ich meine, ich schätze mal, ihr seid immer mit Vorurteilen behaftet, also wir Normalos kriegen das ja gar nicht so wirklich mit. Aber ich meine, im Laden ist immer alles verfügbar, außer das Regal ist mal leer, dann ist das Geschrei natürlich groß. Was ist so das typische Vorurteil, was du immer als Landwirt um die Ohren kriegst? Ja, sehr stark stören uns die Vorurteile, dass wir Natur belasten, Natur zerstören. Wir sind verantwortlich für den Artenschwund, für den Verlust an Biodiversität. Dabei sind ja wir Landwirte gerade bemüht, die Biodiversität erhalten, weil das ist ja unsere Lebensgrundlage. Fruchtbare Böden erhalten. Wie ist das grundsätzlich zu sehen? Also du sagst ja auch selber, die Zahl der Betriebe ist ja zurückgegangen, es gibt die ganz großen Player. Gibt es denn ein Bauernsterben, ja oder nein? Es gibt Bauernsterben, Bauern würde sich ja auf die Person beziehen. Irgendwann sterben wir alle. Landwirtschaftsbetrieb sterben, das ist so eine Ausdrückung. Ich würde es eher Höfe sterben nennen. Und im Grunde genommen, ein Strukturwandel hat es schon immer gegeben, denn wird es auch weiterhin geben, allein aufgrund der Tatsache, dass unsere Hilfsmittel, unsere Maschinen, immer leistungsfähiger werden im Milchbereich. Da gibt es auch heute Melkroboter, die die Arbeit erleichtern. Von daher müssen wir ja auch mit dem technischen Fortschritt gehen. Von daher werden die Einheiten schon größer und die Landwirte weniger. Aber was durch diese ganzen Maßnahmen passiert, ist, dass es einfach immer schneller wird, dieses Höfe sterben. Und im Grunde genommen, das ist ja das, wo wir Angst vor haben, dass wir keine jungen Leute mehr in die Landwirtschaft bekommen. Das ist die große Sorge der Zukunft. Wenn du jetzt mal auf deinen Betrieb blickst, so gut schwierig, wir haben alle keine Glaskugel, aber so die nächsten 20, 30, 40, 50 Jahre. Was glaubst du, was bräuchte es da? Was wünschst du dir da? Ja, zunächst bin ich hier, bin ich ja schon 61 Jahre. Von daher gucke ich mal noch auf maximal zehn Jahre. Ich bin aber in der glücklichen Lage, dass ich einen Neffe habe, der Landwirtschaft gelernt hat, auch in dem Betrieb. Und dass ich meinen Betrieb ihm weitergeben kann. Und ich hoffe, dass er. Damit auch noch ein gutes Auskommen für seine Familie erwirtschaften kann.