Berufungsprozess gegen unbekannte A49-Gegnerin
Berufungsprozess in Gießen - Namenlose A49-Aktivistin bricht Schweigen
Vor dem Landgericht Gießen hat der Berufungsprozess gegen eine junge Umweltaktivistin im Dannenröder Forst begonnen. Der Fußtritt gegen einen Polizisten sei eine Handlung aus einem "Überlebensinstinkt" gewesen, berichtet die A49-Gegnerin zum Prozessauftakt. Ihre Identität hingegen ist noch immer nicht bekannt.
"Ella" wird sie mittlerweile von vielen genannt - wie sie tatsächlich heißt, weiß das Gericht bis heute nicht. Hier wird sie als "uwP1" (unbekannte weibliche Person) bezeichnet.
Haftstrafe für Waldbesetzerin
Im Juni wurde vor dem Amtsgericht in Alsfeld in einem der ersten großen Prozesse rund um die Proteste im Dannenröder Forst das Urteil gesprochen: Zwei Jahre und drei Monate Haft bekam die Umweltaktivistin unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung an einem Polizisten. Geplant sind Verhandlungstermine bis Anfang März.
"Ella" bricht ihr Schweigen
Zum Auftakt des Berufungsprozesses hat sie jetzt angegeben, aus einem "Überlebensinstinkt" heraus gehandelt zu haben. Sie sei es gewesen, die Faustschläge ins Gesicht bekommen habe - und da habe sie instinktiv mit dem Fuß getreten. Das erste Urteil vom Amtsgericht Alsfeld sei aus ihrer Sicht ein Fehlurteil. Sie hatte dagegen Berufung eingelegt - die Staatsanwaltschaft ebenso.
"Aktenordner vor dem Gesicht mit dem Aufkleber: "Free Ella"
Zur Berufungsverhandlung erscheint sie ganz in Schwarz gekleidet, die Haare unter einer schwarzen Mütze und der Großteil des Gesichts hinter einer schwarzen Maske verborgen. Als sich die Kameras der Fotografen auf sie richten, hält sie sich einen aufgeklappten Aktenordner vors Gesicht - darauf ein Aufkleber mit der Aufschrift "Free Ella". Mit diesem Namen wird sie von Medien aufgrund entsprechender Posts im Internet bezeichnet und so spricht sie auch der Richter an."Ich glaube, dass sie Ausländerin sind", sagt er zu der aufmerksam zuhörenden Frau, die schließlich in fließendem Englisch ihre Sicht der Dinge schildert.
Ella-Anwältin wirft SEK-Beamten: "Körperverletzung im Amt" vor
Während sie von ihrer Trauer um die gefällten Bäume, die "417 langen Tage" im Gefängnis und von dem Moment erzählt, als sie von zwei SEK-Beamten vom Baum geholt wurde, ist das Rufen, Singen und Trommeln von rund 50 Aktivisten vor dem Gebäude zu hören. Die Angeklagte berichtet, wie sie bei dem Einsatz von Polizisten festgehalten und geschlagen worden sei. In ihrer Angst habe sie sich instinktiv widersetzt, nun solle sie kriminalisiert werden.Ihre Mandantin sei damals in einer gefährlichen Lage gewesen, die sie hätte abwehren dürfen, bekräftigt später eine ihrer beiden Rechtsanwältinnen. Die Polizisten seien dagegen am Baum gesichert gewesen; sie wirft diesen vor, eine "Körperverletzung im Amt" an der Aktivistin begangen zu haben.
Angeklagte soll Polizist getreten haben
Die Frau soll im Zuge der Proteste im Dannenröder Forst in mehreren Metern Höhe nach einem Polizisten getreten haben, der während der Räumung von Protestcamps in dem Waldstück nahe Homberg/Ohm im Einsatz war. Nach dem Vorfall Ende November 2020 war die Frau festgenommen worden. Seitdem sitzt sie in Untersuchungshaft. . Sie muss sich unter anderem wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung, des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte vor Gericht verantworten.
Tumulte im Gerichtssaal
Im Gerichtssaal kam es während der Urteilsverkündung im Sommer zu tumultartigen Szenen, wie Amtsgerichtsdirektor und Pressesprecher Klaus Schwaderlapp berichtete. Mehrere Zuschauer hätten gesungen und seien von Polizisten aus dem Saal entfernt worden, auch die Verurteilte habe Parolen skandiert, als sie abgeführt wurde.
Über den Dannenröder Forst
Im Dannenröder Forst sowie im nahe gelegenen Maulbacher Wald und im Herrenwald bei Stadtallendorf (Landkreis Marburg-Biedenkopf) waren Bäume für den Weiterbau der Autobahn 49 gefällt worden. Dagegen protestierten Umwelt- und Klimaschützer, die vor allem im Dannenröder Forst Baumhäuser und zahlreiche Barrikaden errichteten, die im Herbst 2020 schrittweise von der Polizei geräumt wurden.
FFH-Reporterin Anne Schmidt vor dem Landgericht Gießen
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