Verfahren zur Messerattacke in Aschaffenburg beginnt
Messerattacke mit zwei Toten - Verfahren in Aschaffenburg beginnt
Völlig überraschend greift ein Mann in einem Park in Aschaffenburg eine Kinderkrippengruppe an. Zwei Menschen sterben. Nun beginnt das Verfahren gegen den Flüchtling, der schuldunfähig sein könnte.
Gut neun Monate nach der tödlichen Messerattacke eines mutmaßlich psychisch kranken Mannes auf einen kleinen Jungen und einen zweifachen Vater in Aschaffenburg beginnt am Landgericht das Sicherungsverfahren. Neben der Aufklärung der Tat geht es vor allem um die Frage, ob der Beschuldigte bei der Attacke am 22. Januar schuldunfähig gewesen sein könnte. In diesem Fall könnte das Gericht eine zeitlich unbefristete Unterbringung des 28-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen.
Sicherungsverfahren vor Gericht
Für das Sicherungsverfahren sind bis zum 30. Oktober sechs Verhandlungstage angesetzt. Zuständig ist die 1. Große Strafkammer des Landgerichts. Bei einem Sicherungsverfahren geht es um die zeitlich unbegrenzte Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses. Auch wenn es keine Anklage wie in einem normalen Strafverfahren gibt, wird solch ein Fall vor Gericht verhandelt.
Angriff wie aus dem Nichts
Der beschuldigte Afghane soll den Ermittlungen zufolge am 22. Januar im Park Schöntal unvermittelt eine Kinderkrippengruppe angegriffen haben. Durch Messerstiche starben ein zweijähriger Junge marokkanischer Herkunft und ein Deutscher, der versucht hatte, die Kinder zu schützen. Zudem wurden ein zweijähriges Mädchen aus Syrien und ein heute 73-jähriger Deutsche von dem mutmaßlichen Täter verletzt. Eine Erzieherin (59) brach sich ein Handgelenk.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 28-Jährigen Mord, versuchten Mord, Totschlag, versuchten Totschlag, Bedrohung sowie diverse Körperverletzungsdelikte vor.
Vermutlich ohne Schuld
Die Ermittler hatten schnell Hinweise auf eine mögliche psychische Erkrankung des Mannes gefunden – unter anderem entsprechende Medikamente in seinen Wohnräumen.
Ein psychiatrischer Sachverständige attestierte dem Beschuldigten eine psychische Erkrankung. Der Mann dürfte bei der Attacke im Park Schöntal nahe der Aschaffenburger Innenstadt schuldunfähig gewesen sein. Hinweise auf eine Radikalisierung des Mannes "oder auf islamistische, extremistische oder terroristische Hintergründe der Tat" fanden die Ermittler nicht.
Mit weiteren Taten sei zu rechnen
Der Gutachter nimmt laut Staatsanwaltschaft zudem an, "dass die psychiatrische Erkrankung des Beschuldigten nicht nur vorübergehend ist und dass, sollte diese nicht dauerhaft zurückgeführt werden können, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit weiteren, auch hochaggressiven Taten zu rechnen sei". Welche Krankheit der Flüchtling konkret hat, teilte die Behörde aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mit.
Die endgültige Entscheidung über eine Schuldunfähigkeit zum Tatzeitpunkt trifft das Gericht.
Migration im Fokus
Nach der Gewalttat dominierten die Themen Migration und Sicherheit im damals laufenden Bundestagswahlkampf. Mehr Härte forderten insbesondere CDU/CSU sowie AfD. Bei manchen löste die sich verschärfende Debatte jedoch auch Sorgen vor einem Rechtsruck aus - eine Entwicklung, vor der Parteien wie Grüne und Linke warnten.
Vertreter bayerischer Integrationsbeiräte prangerten eine Instrumentalisierung des Messerangriffs für Wahlkampfzwecke an. Tausende demonstrierten in Aschaffenburg gegen einen Rechtsruck in Politik und Gesellschaft.
Betroffenheit in der Mainstadt
Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) sagte wenige Tage vor dem Sicherungsverfahren der Deutschen Presse-Agentur: "Die Tat hat bei den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch bei uns in der Stadtverwaltung tiefe Betroffenheit ausgelöst." Derzeit arbeite man an den Plänen für eine Gedenkstätte. "Natürlich können wir alle, auch ich nicht, die Tat ausblenden, und vor allem die direkt Betroffenen werden noch lange brauchen, um alles zu verarbeiten. Wir unterstützen sie dabei."
Verdächtiger mehrfach in Psychiatrie
Der ausreisepflichtige Afghane war vor der Tat wegen mehrerer Delikte polizeibekannt und mehrmals vorübergehend in einer Psychiatrie.
Nach bisherigen Erkenntnissen hatte es der 28-Jährige am Tattag gezielt auf eine Kindergartengruppe abgesehen. Der Beschuldigte soll sich zunächst den in einem Bollerwagen sitzenden zweijährigen Jungen marokkanischer Herkunft gegriffen haben. Laut den Ermittlungen zog der Mann dem Kind Mütze und Schal aus und stach ohne Vorankündigung mit einem 32 Zentimeter langen Küchenmesser mehrfach auf den Hals und Schulterbereich des Jungen ein. Das Kind starb.
Erzieherin brach sich Handgelenk
Anschließend soll der Flüchtling ein damals zweijähriges, syrisches Mädchen mit dem Messer attackiert haben, das ebenfalls in dem Bollerwagen saß. Eine damals 59 Jahre alte, deutsche Erzieherin der Kita versuchte, den Mann noch von der Tat abzuhalten und stellte sich ihm in den Weg. Sie wurde von ihm allerdings zur Seite gestoßen und brach sich eine Hand.
Mutiger Helfer stirbt
Der unbeteiligte 41-jährige Deutsche, der mit seinem eigenen zweijährigen Kind gerade im Park unterwegs war, versuchte noch, den Opfern zu helfen. Er wurde von dem Messerstecher tödlich verletzt. Ein weiterer Helfer, ein damals 72-jähriger Deutscher, überlebte trotz mehrerer Messerstiche. Der mutmaßliche Täter wurde kurz nach der Attacke festgenommen.