Gewaltvorwürfe gegen Polizei: Das soll sich jetzt in Frankfurt ändern
Gewaltvorwürfe gegen Polizei - Das soll sich jetzt in Frankfurt ändern
Wieso kommt das Innenstadt-Revier nicht zur Ruhe? Und was muss geschehen, damit sich die Lage auf der Zeil bessert? Der Innenminister hört zu - und präsentiert eine ganze Liste an Maßnahmen.
Wie verhindert man, dass Polizisten in einer aggressiven Umgebung selbst aggressiv werden? Das ist die Frage, die sich stellt, wenn es um das 1. Frankfurter Polizeirevier geht - jene Dienststelle, die wiederholt negative Schlagzeilen gemacht hat. Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 17 Polizistinnen und Polizisten wegen Körperverletzung, Strafvereitelung im Amt und die Verfolgung Unschuldiger.
Vier Wochen, nachdem die Vorwürfe publik wurden, besuchte Innenminister Roman Poseck (CDU) das hoch belastete Revier. Mit dabei: der Frankfurter Polizeipräsident Stefan Müller und der neue Leiter des Reviers, der ebenfalls Stefan Müller heißt. In vertraulichen Gesprächen hörten sie sich an, was die Kollegen belastet, und präsentierten einen Maßnahmenkatalog.
Ursachensuche
Das Revier liegt auf der Zeil und ist für die gesamte Innenstadt zuständig. Auf 120 Mitarbeiter kommen laut Polizeipräsident 4.500 Straftaten und 2.500 Festnahmen jährlich. Die Beamten erlebten eine Menge "Aggression, Respektlosigkeit und Provokationen", so Müller. Im September umzingelte eine Menschenmenge ein Überfallkommando. Im Oktober fanden Beamte in einem Polizeiwagen einen Kothaufen auf dem Fahrersitz und Urin in der Mittelkonsole.
Solche Erlebnisse könnte "zur Verrohung Einzelner" beigetragen haben, sagte der Polizeipräsident, vielleicht verstärkt durch Gruppendynamik und schwache Führung. Die "gravierenden Vorwürfe" könne das nicht entschuldigen: "Hier wurden rote Linien überschritten", sagte Müller, der die Übergriffe selbst auf Überwachungskameras gesehen hat.
Traurig, fassungslos, wütend
Der neue Revierleiter übernahm ein Team, das nach seinen Worten "emotional stark belastet" ist. Die Belegschaft sei "traurig, fassungslos, wütend" über das Verhalten der Kollegen, sagte Müller. Er spüre "eine deutliche Verunsicherung" in der Belegschaft, erlebt aber auch viele, ihrem Dienst "mit Engagement und aus Überzeugung" nachgingen.
"Die Vorwürfe wiegen schwer, ja: sie sind erschütternd", sagte der Minister. Dennoch sei das Verhalten der Mitglieder dieser einen Dienstgruppe "alles andere als repräsentativ" und dürften nicht verallgemeinert werden. Auch mit früheren Vorwürfen gegen Beamte dieses Reviers sollten die aktuellen Fälle nicht vermischt werden, findet Poseck.
2018 war das Revier im Zusammenhang mit den rechtsextremen Drohschreiben mit dem Absender "NSU 2.0" aufgefallen. Persönliche Daten einer Empfängerin wurden unbefugt von einem Dienstcomputer im 1. Revier abgefragt. Bei den Ermittlungen wurde die Chatgruppe "Itiotentreff" entdeckt, in der teils menschenverachtende und rechtsextreme Inhalte geteilt wurden.
Was soll geschehen?
Poseck präsentierte vier Wochen nach Bekanntwerden der neuen Vorwürfe einen langen Maßnahmenkatalog. Sie sollen die Mitarbeiter entlasten, ihre Resilienz stärken und ihre Arbeit attraktiver machen.
Zu den Maßnahmen zählen:
- Kürzere Rotation: nur noch drei statt vier Jahre im 1. Revier
- Anderer Personalmix: weniger Kollegen in der Probezeit, mehr erfahrene Kräfte
- Keine Dienste mehr an Wochenenden für Objektschutz oder Einsatzlagen
- Verlässliche freie Tage
- Bessere Beförderungsmöglichkeiten
- Bürokratieabbau
- Einführung eines Schutzmanns vor Ort
- Mehr Supervision für Beamte und Coaching für Führungskräfte
- Meldestelle für anonyme Hinweise
- Umbau der Dienststelle
Die bauliche Situation trägt den beiden Müllers zufolge nicht unerheblich zum Stress im 1. Revier bei. Mit jedem Festgenommenen müssten die Beamten durch eine enge Eingangs-Schleuse voller wartender Menschen, im Wachbereich sei es eng und laut.
Handlungsbedarf bleibt
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jens Mohrherr, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Der Ansatz Rückendeckung und Wertschätzung ist richtig." Offen bleibe aber ein wichtiger Punkt: die Rolle der Justiz. Die Beamten erlebten tagtäglich, "dass Straftäter, auch Wiederholungstäter, am nächsten Tag wieder auf der Straße stehen".
Das 1. Revier personell zu stärken sei richtig, "aber nicht durch bloßes Umverteilen: Wir brauchen mehr Personal". Das Kernproblem könne die Politik nicht alleine lösen, denn es sei ein gesellschaftliches: "Wir brauchen wieder mehr Respekt und Wertschätzung für die Arbeit der Rettungskräfte."