Aufnahmestopp und zu wenig Lebensmittel bei Hessens Tafeln
Probleme an Hessens Tafeln - Aufnahmestopp und zu wenig Lebensmittel
Tafeln verteilen gespendete Lebensmittel. Die Nachfrage ist gestiegen, stellenweise gibt es Aufnahmestopps - auch, weil die Spenden rückläufig sind. Daher wird nach neuen Kooperationspartnern gesucht.
Rund jede zweite Tafel in Hessen kämpft derzeit mit Problemen, wie der Vorsitzende des Landesverbands, Willi Schmid, sagt. 30 Prozent hätten Wartelisten mit mehreren Wochen Länge, weitere 25 Prozent hätten einen kompletten Aufnahmestopp verhängt. Neben Lebensmittel-Spenden fehle es an ehrenamtlichen Mitarbeitern, auch die Betriebskosten seien gestiegen.
Tafel in Wetzlar
Bettina Türk arbeitet ehrenamtlich für die Tafel in Wetzlar. Sie sortiert am Morgen im Zentrallager der hessischen Tafeln in der mittelhessischen Stadt übriggebliebenes Gemüse aus Supermärkten: Sie öffnet Packungen mit Tomaten, Champignons, Bohnen und Paprika und schichtet die Lebensmittel in Plastikkörbe, die dann zu den Ausgabestellen gebracht werden. Der verdorbene Rest kommt in eine große Mülltonne.
Abgegeben werden die Lebensmittel an Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. 115.000 Menschen versorgen die Tafeln in Hessen, sagt der Landesvorsitzende Schmid. 58 Tafeln gibt es landesweit.
Andrang gewachsen
Seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine und den folgenden Preissteigerungen sei der Andrang an den Ausgabestellen gewachsen. Der Staat lasse hier eine große Lücke offen: "Der Staat hat dafür zu sorgen, dass die Menschen ein Auskommen haben", sagt Schmid. Letztlich könnten die Tafeln mit ihren Mitteln nur unterstützen.
Manchmal ist nicht genug da
Gleichzeitig erreichen weniger Lebensmittel die Tafeln auf dem herkömmlichen Weg. "Wir bekommen weniger, denn die Supermärkte kalkulieren knapper. Manchmal haben wir nicht genug", sagt die Ehrenamtliche Türk.
Neue Spender gesucht
Bundesweit arbeiten die Tafeln daher daran, neue Spender zu gewinnen. Wie etwa Produzenten von Lebensmitteln. Beispielsweise wegen Fehldrucken auf Packungen oder Überkapazitäten könnten hier ganze Lastwagenladungen gespendet werden - Ware, die nicht verkauft werden könne und sonst im Müll lande, sagt Schmid.
Mehr Großspenden
Für die neue Strategie wurde die "Allianz für Lebensmittelrettung" ins Leben gerufen, an der auch Speditionsunternehmen mitwirken. Der Tafel-Landesverband Hessen ist seit März dabei. Die bisherigen Ergebnisse stimmten optimistisch, sagt Schmid. Es gebe bereits einen deutlichen Anstieg an Großspenden von Herstellern.
Ganze Lkw-Ladungen mit Lebensmitteln
Um solche Großspenden aufnehmen und angemessen lagern zu können, hat der Landesverband in das Zentrallager investiert. Auch ganze Lastwagenladungen Tiefkühl- und Kühlware wie Pizza und Molkereiprodukte haben nun Platz. Es geht auch um Schnelligkeit bei der Verteilung, damit die Ware nicht verdirbt.
Im Wetzlarer Lager wird umgepackt und als gemischte Paletten auch an andere Landesverbände weiterverteilt. So dass die Tafeln vor Ort eine Auswahl verschiedener Produkte hätten, wie Schmid erläutert. In diesen Tagen werden in Wetzlar unter anderem Großlieferungen von roter Grütze im Glas, Spielzeug sowie Molkereiprodukten erwartet. Auch Hygieneprodukte, Waschmittel und eine Ladung mit 75.000 Lippenstiften lagern in Wetzlar - letztere wird nach und nach aufgeteilt.
Allianz soll wachsen
Bis Ende des Jahres sollen sich alle 13 Tafel-Landesverbände der Allianz angeschlossen haben, sagt Schmid. Insgesamt 975 Tafeln gibt es demnach in Deutschland, bei denen 1,5 Millionen Menschen als Kunden geführt werden.
Neue Partner sollen Rückgang kompensieren
Bundesweit gebe es rund 2.500 Hersteller von Lebensmitteln, die man ansprechen könne. "Das Ziel ist, die Menge an Großspendern in den nächsten drei Jahren zu verdoppeln", sagt Schmid. Dies würde einiges kompensieren.
Rentner und Geflüchtete große Kundengruppe
Die Nachfrage bei den Tafeln in Hessen sei seit dem russischen Angriff auf die Ukraine um 35 bis 40 Prozent gestiegen, sagt Schmid. Neben Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Herkunftsländern seien Rentnerinnen und Rentner eine große Kundengruppe. Die Spenden aus dem Lebensmittelhandel seien gleichzeitig um ein Drittel zurückgegangen.
Mitarbeiter gesucht
Rund 6.000 Ehrenamtliche engagieren sich im Bundesland für die Tafeln - stellenweise fehlt es aber an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sagt Schmid. Teilweise hätten Tafeln in Hessen auf von einwöchiger auf eine zweiwöchige Ausgabe umstellen müssen.