Heppenheim: Missbrauch an Odenwaldschule - Mahnmal enthüllt
Mahnmal in Heppenheim enthüllt - Jahrelanger Missbrauch an Elite-Internat
Über Jahre hat es sexuelle Gewalt gegen Kinder an der Odenwaldschule in Heppenheim gegeben. Seit Montag (18.11.) erinnert ein Mahnmal auf dem Gelände der früheren Schule daran.
Unterstützer sind unter anderem das Land, der Kreis Bergstraße und die Stadt Heppenheim. Alleine das Land Hessen hat nach eigenen Angaben 40.000 Euro bereitgestellt.
Ex-Landrat: Öffentliche Hand steht zu Verantwortung
Der Ex-Landrat des Kreises Bergstraße, Matthias Wilkes, sagte unserem Reporter bei der Vorstellung, dass das aber nicht der Schlusspunkt der Missbrauchsgeschichte sei. Es sei notwendig, auch einen Punkt zu haben, wo man hingehen kann, und sieht, dass auch die öffentliche Hand zu ihrer Verantwortung steht und der Skandal nicht unter den Teppich gekehrt werden soll, so Wilkes zu HIT RADIO FFH.
Bisher mehr als 600.000 Euro ausbezahlt
Nach Angaben der Stiftung "Brücken bauen" sind bislang 605.000 Euro an Opfer ausbezahlt worden. "Der Kreis der Opfer, die sich bei der Stiftung gemeldet haben und Zahlungen bekommen haben, erstreckt sich auf 50 Personen", teilte Ulrich Kühnhold von der Stiftung mit.
Opfer wollen keine alten Wunden aufreißen
"Einige Opfer haben bewusst auf Anträge verzichtet und andere scheuen sich Anträge zu stellen, da dies die Wunden wieder aufreißen würde, wenn sie sich mit dem erlittenen Leid intensiver befassen müssten", sagte Kühnhold. Die Arbeit der Stiftung sei nicht abgeschlossen und wir müssen auch weiterhin mit Meldungen von Opfern rechnen. Auf der Website heißt es zum Zweck: "Aus dem Stiftungsvermögen und dessen Erträgen, aus Spenden und Zuwendungen unterstützt die Stiftung Hilfsmaßnahmen für Menschen, die Opfer sexualisierter Gewalt an der Odenwaldschule geworden sind."
Studien zeigen das Ausmaß der Gewalt
Das Ausmaß sexueller Gewalt ist weitaus größer. Studien der Universitäten Rostock und München zufolge sollen mehr als zwei Dutzend Lehrkräfte und andere Mitarbeiter der Schule über Jahre an Hunderten Verbrechen an Schutzbefohlenen beteiligt gewesen sein. Die Opfer erlitten sexuelle Gewalt, emotionale Ausbeutung sowie Vertuschung und wurden traumatisiert. Neben dem früheren Schulleiter Gerold Becker soll es mindestens vier weitere Haupttäter gegeben haben. Das Missbrauchssystem habe alle Hierarchieebenen der Schule durchdrungen.
Schule nicht unter die Lupe genommen
Für den Wissenschaftler Heiner Keupp, Mitglied der Aufarbeitungskommission der unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, gab es auch klares Versagen staatlicher Organe. Es habe schon in den 90er-Jahren Berichte über Missbauch an der Odenwaldschule gegeben, passiert sei nichts. "Es hätte ganz klare Kontrollen geben müssen. Niemand hat die Einrichtung unter die Lupe genommen." Täter hätten davon profitiert, dass viele dachten, so eine Einrichtung macht doch keine Fehler. Erst mit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg 2010 sei vieles ins Rollen gekommen. In dem Mahnmal sieht Keupp einen wichtigen Punkt der Erinnerungskultur. "Es ist ein wichtiger Punkt für Betroffene, dass ihre Geschichte nicht untergeht."
Verein kritisiert Strafverfolgung
Bei dem Verein "Glasbrechen" für Betroffene von sexueller Gewalt an der Odenwaldschule wird auch die Strafverfolgung kritisiert. Dort heißt es auf der Website: "Nicht einer der Täter wurde rechtskräftig verurteilt. Einige von ihnen sind verstorben. In den anderen Fällen waren die Verbrechen verjährt."
Schulbetrieb 2015 eingestellt
Die Odenwaldschule, an der Prominente wie der Politiker Daniel Cohn-Bendit oder der Schriftsteller Klaus Mann die Schulbank drückten, ist als Institution knapp 15 Jahre nach Bekanntwerden des Skandals Geschichte. Das Internat musste schließlich Insolvenz anmelden und nach mehr als 100 Jahren wurde 2015 der Schulbetrieb eingestellt. Das Gelände wurde von einer Unternehmerfamilie übernommen und umgebaut.
Protest gegen Standort
Dort soll nun das Mahnmal nach einer Initiative und einem Entwurf des Kunstexperten Adrian Koerfer, selbst früher Schüler der Odenwaldschule am Ort der Taten auf das jahrelange Leid der Schüler hinweisen. Allerdings: Der Verein "Glasbrechen" kritisierte mit Schildern vor Ort den Standort des Mahnmals. Ein Sprecher teilte auf FFH-Nachfrage mit, der Verein wünsche sich eine andere Stelle für das Mahnmal, die mehr Aufmerksamkeit bietet - zum Beispiel in Wiesbaden. Auf Protestschildern vor Ort waren etwa Alternativ-Standorte vor dem Landtag und vor dem Hauptbahnhof in Wiesbaden abgebildet und symbolisiert.
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