Zwei Vermisste tot geborgen - Brücke im Hafen von Baltimore eingestürzt
Nach dem Einsturz einer großen Autobahnbrücke im Hafen der US-Stadt Baltimore haben Einsatzkräfte zwei Tote aus dem Wasser geborgen. Die Polizei des Bundesstaates Maryland teilte am Mittwochabend (Ortszeit) mit, Taucher hätten die Leichen der 26 und 35 Jahre alten Männer aus einem Pickup-Truck in sieben Meter Tiefe gezogen. Unterdessen wurde bekannt, dass sich an Bord des havarierten Frachtschiffs, das die Brücke zum Einsturz gebracht hatte, große Mengen gefährlicher Stoffe befinden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Das rund 290 Meter lange Containerschiff "Dali" hatte in der Nacht zu Dienstag einen Stützpfeiler der vierspurigen Francis Scott Key Bridge gerammt und das mehr als 2,5 Kilometer lange Bauwerk so zum Einsturz gebracht. Nach Angaben des Verkehrsministers von Maryland, Paul Wiedefeld, befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks acht Bauarbeiter auf der Brücke, um Schlaglöcher auszubessern. Zwei von ihnen wurden am Dienstag gerettet. Von den sechs anderen - die laut Polizei aus Mexiko, Guatemala, El Salvador und Honduras stammen - fehlte bislang jede Spur.
Autos in die Tiefe gestürzt
Zwar hatte die Schiffsbesatzung vor dem Zusammenprall noch einen Notruf abgesetzt, was womöglich Leben rettete - denn Beamte an Land stoppten den Verkehr und verhinderten so, dass weitere Autos auf die Brücke gelangten. Trotzdem brachen große Teile der Brücke in sich zusammen, da tonnenschwere Stahlträger durch die gewaltige Krafteinwirkung wie dünner Draht verbogen, Menschen und Autos in die Tiefe gerissen wurden.
Schiff rammt Brückenpfeiler
Die Besatzung des Schiffs, das einen der Stützpfeiler der Brücke gerammt hatte, sei nach Angaben der Eigentümer wohlauf. Es gebe keine Verletzten auf dem Schiff, hieß es am in einer Mitteilung, die der "New York Times" vorlag. Die Eigentümer bestätigten demnach den Vorfall. Das Schiff mit dem Namen "Dali" habe einen der Brückenpfeiler gegen 1.30 Uhr gerammt. Die Ursache der Kollision müsse noch ermittelt werden.
Knapp 300 Meter langes Containerschiff
Wie mehrere US-Medien unter Berufung auf die Küstenwache berichteten, handelt es sich bei der "Dali" um ein Containerschiff, das unter der Flagge Singapurs von Baltimore aus nach Sri Lanka fahren sollte. Das Schiff sei knapp 290 Meter lang. Auf dem Portal Marinetraffic hieß es, die "Dali" habe den Hafen von Baltimore um 1 Uhr verlassen.
Video zeigt Autos, die ins Wasser stürzten
Auf in den sozialen Netzwerken verbreiteten Videos einer Überwachungskamera war zu sehen, wie das Schiff einen der Stützpfeiler rammte und die Autobrücke daraufhin ins Wasser stürzte. Auch mehrere Autos, die zum Zeitpunkt des Einsturzes blinkend auf der Brücke standen, stürzten demnach in den Fluss.
Was genau ist passiert?
Das unter singapurischer Flagge fahrende, rund 290 Meter lange Containerschiff "Dali" war nach Angaben von Marylands Gouverneur Wes Moore "mit acht Knoten, also mit rasanter Geschwindigkeit" auf die Brücke zugesteuert - das sind etwa 15 Kilometer pro Stunde. Die Kollision ließ die vierspurige, mehr als 2,5 Kilometer lange Brücke einstürzen. Als Teil der überregionalen Verkehrsader Interstate 695 überspannte sie den Hafen der Ostküsten-Metropole Baltimore.
Nach Angaben des Verkehrsministers von Maryland, Paul Wiedefeld, befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks acht Bauarbeiter auf der Brücke, die dort Schlaglöcher reparierten. Zwei Menschen konnten gerettet werden. Eine Person wurde laut US-Medien zunächst in ein Krankenhaus eingeliefert und kurze Zeit später wieder entlassen. Die verbliebenen sechs Menschen galten über viele Stunden hinweg als vermisst.
Wie verlief die Suche nach den Vermissten?
Gegen 1.40 Uhr (Ortszeit) am Dienstag waren offiziellen Angaben zufolge erste Notrufe eingegangen. Wenige Minuten später kamen die ersten Einsatzkräfte am Unglücksort an. Über den ganzen Dienstag hinweg suchten Polizisten und Rettungskräfte im Wasser, aus der Luft und an Land nach den sechs Vermissten. Dabei kam neben Dutzenden Tauchern auch Infrarot- und Sonartechnik zum Einsatz. Zunächst wurden auf diese Weise fünf Fahrzeuge im Wasser identifiziert, darunter drei Autos und ein Betonmischer. Menschen wurden aber nicht gefunden.
Die Vermissten lebend zu finden, wurde mit voranschreitender Zeit immer unwahrscheinlicher. US-Medien berichteten unter Berufung auf einen örtlichen Behördenmitarbeiter, dass das Wasser an der Stelle rund 15 Meter tief sei und es starke Strömungen gebe. Die Wassertemperatur lag demnach bei etwas unter zehn Grad.
Am Dienstagabend teilte dann der Vertreter der Küstenwache mit, dass die aktive Suche nach Überlebenden eingestellt werde. Die Strömung und Trümmerteile im Wasser seien gefährlich für die Rettungskräfte. Man wolle deren Gesundheit nicht aus Spiel setzen. Ein Vertreter der Polizei erklärte, über Nacht würden weiterhin Schiffe unterwegs seien. Am frühen Morgen würden dann erneut Taucher ins Wasser geschickt. Es gehe dabei jedoch nur noch um die mögliche Bergung von Leichen.
Wie kam es zu der Kollision?
Hinweise auf eine vorsätzliche Tat oder gar einen Terroranschlag gibt es Behörden zufolge nicht. US-Präsident Joe Biden sprach von einem "schrecklichen Unfall". Ersten Erkenntnissen zufolge könnte ein Problem mit der Stromversorgung die Ursache gewesen sein. Nach Angaben aus Singapur kam es wohl zu einem "vorübergehenden Antriebsverlust", weshalb das Schiff seinen Kurs nicht halten konnte.
Die Vorsitzende der Behörde für Transportsicherheit NTSB, Jennifer Homendy, äußerte sich zunächst nicht zu den möglichen Ursachen. "Die NTSB spekuliert nicht, wir liefern Fakten", sagte sie. Bei den Untersuchungen würden sich zwei Dutzend Ermittler sowohl die Bauweise der Brücke als auch das Schiff und dessen Historie genau anschauen. Von besonderer Bedeutung sei dabei der sogenannte Schiffsdatenschreiber.
Die 22-köpfige Besatzung ist laut Singapurs See- und Hafenbehörde in Sicherheit. Das dänische Reedereiunternehmen Maersk bestätigte, es habe das Schiff von der Chartergesellschaft Synergy Group gemietet und darauf Fracht von Kunden transportiert.
Sind Auswirkungen auf Umwelt und Wirtschaft zu befürchten?
Wie US-Medien unter Berufung auf die Küstenwache berichteten, wurden Vorkehrungen getroffen, um Umweltschäden so gering wie möglich zu halten. Demnach war auf dem Wasser ein Ölschimmer zu sehen. Verkehrsminister Pete Buttigieg teilte zudem mit, man stelle sich auf Lieferkettenprobleme ein. Diese beträfen nicht nur die Region um Baltimore, "sondern die gesamte US-Wirtschaft". Die zuständige Behörde setzte den Schiffsverkehr in den Hafen bis auf Weiteres aus, größere Frachter wurden in einen Hafen des benachbarten Bundesstaats Virginia umgeleitet.
Wie US-Präsident Biden erklärte, handelt es sich beim Hafen von Baltimore um eine der wichtigsten maritimen Anlaufstellen der USA - insbesondere für den Import und Export von Autos und Kleinlastern. Demnach werden rund 850 000 Fahrzeuge pro Jahr darüber verschifft. Rund 15 000 Arbeitsplätze hängen davon ab. Biden will den Wiederaufbau der Brücke mit Geld vom Bund finanzieren.
Auf die Frage, ob Amerikanerinnen und Amerikaner sich um die Stabilität der Brücken des Landes sorgen müssten, entgegnete Buttigieg: "Ich kenne keine Brücke, die dem direkten Aufprall eines Schiffes dieser Größe standhält." Man müsse jedoch aus dem Unglück die richtigen Schlüsse ziehen und daraus lernen.
Wäre ein Unglück wie in Baltimore auch in Deutschland möglich?
Ausgeschlossen sei so etwas nie, sagen Experten. Doch es gebe Vorkehrungen, die einen solchen Unfall in Deutschland unwahrscheinlich machten. Brückenbau-Experte Josef Hegger vom Lehrstuhl und Institut für Massivbau der RWTH Aachen erklärte, die Bundesanstalt für Wasserbau lege etwa Regeln fest, welcher Anpralllast Pfeiler Stand halten müssen - je nach Schifffahrtsweg und Größe der dort verkehrenden Schiffe. Zusätzlich gebe es auf den Wasserwegen Einrichtungen ähnlich einer Leitplanke, die einen Aufprall verhindern sollen. Das Wichtigste aber: Meist seien Brücken in Deutschland so konstruiert, dass Schiffe mit den Pfeilern nicht oder nur schwer kollidieren könnten.
Auswirkungen auf die deutsche Autobranche
Unterschiedliche Auswirkungen auf deutsche Autobauer
Ein Sprecher von Porsche teilte mit, man fahre den Hafen von Baltimore an und könne das auch weiter ohne Störungen. BMW erklärte am Donnerstag (28.03.), der Brückeneinsturz habe keine Folgen für die Materialversorgung für das BMW-Werk Spartanburg. "Der Hafen wird nicht für den Fertigfahrzeug-Versand aus den USA genutzt." Der Konzern nutze ihn für den Import von Fahrzeugen.
Mercedes vom Schiffsverkehr abgeschnitten
Mehrere Hersteller haben Terminals, über die sie Fahrzeuge verladen; einige Konzerne wie BMW haben das Glück, dass ihr Terminal vor der Unfallstelle liegt und damit weiter zugänglich ist. "Da der Terminal an der Hafeneinfahrt (vor der Brücke) liegt, kann dieser weiterhin angesteuert werden", teilte BMW mit. Das Terminal von Mercedes-Benz liegt hingegen nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hinter der Brücke und sei damit nun vom Schiffsverkehr abgeschnitten.
Konzern sucht neue Lieferwege
Ein Sprecher von Mercedes-Benz sagte am Donnerstag, Baltimore werde neben einigen anderen Häfen in den USA, darunter Brunswick (Georgia) und Charleston (South Carolina) für den Auto-Import genutzt. "Wir stehen in engem Austausch mit unseren Logistikdienstleistern und beobachten kontinuierlich die Situation. Gemeinsam mit unseren Transportpartnern überprüfen und adaptieren wir unsere Lieferwege." Die Teileversorgung des Werks Tuscaloosa (Alabama) sei von dem Vorfall nicht betroffen. Der Sprecher von Mercedes-Benz betonte: "Der Vorfall hat keine Auswirkungen auf den Fahrzeug-Export aus den USA."
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